Als Ricarda Messner gegen kurz nach 10 zu unserem Interviewtermin erscheint, vergesse ich für einen kleinen Moment, worüber ich eigentlich mit ihr sprechen wollte. Schon nach den ersten zwei Minuten sprechen wir über Selbstfindung, darüber, wer man eigentlich ist und was man überhaupt will im Leben. Wir reden über Definitionen und darüber, wie wir versuchen, Menschen in Kategorien, in Schubladen, zu schieben, sobald wir sie anderen erklären oder vorstellen, bloß, damit wir möglichst wenig Zeilen oder Worte verschwenden müssen. So leicht aber lässt sich eine Person wie Ricarda nicht umschreiben, denn sie ist nicht bloß eine Autorin, sondern auch eine Verlegerin, Kuratorin und Redakteurin aus Berlin. Obendrein erschafft sie Orte, an denen nicht nur ihre Geschichten, sondern auch die anderer Personen Platz finden. Einer dieser Orte ist das Sofa Magazin, das sie gemeinsam mit Caia Hagel gründete und das seit nun vier Jahren erscheint. Dabei hebt sich Sofa nicht bloß durch seine Inhalte von Zeitschriften, die man sonst so sieht, ab, auch das Design ist grell, laut und durcheinander, statt sich in minimalistischer Zurückhaltung zu üben. „Trash-Ästhetik“ nennt Ricarda es und spielt damit nicht zuletzt auf jene Aspekte, die wir aus der früheren Bravo und den Anfängen des Internets kennen, an. Eine Jugendzeitschrift ist Sofa aber trotz des exaltierten Designs nicht, wie ein Blick auf die Inhalte der vierten Ausgabe verrät: Man spricht über „Ass Chateaus“, Dates mit Clowns und grünen Schleim, die Inhalte und Geschichten selbst gehen dabei jedoch weitaus tiefer, als ein erster, oberflächlicher Eindruck vermuten ließe. Sofa erschafft durch seine Aufmachung sowie seine Protagonist*innen einen Ort, der sich ein wenig so anfühlt, wie das Internet der 00er Jahre, als es noch bunt und laut und wenig kuratiert war.
Wir haben Ricarda anlässlich der aktuellen Ausgabe zum Gespräch getroffen und mit ihr über die Zukunft des Internets, Chatrooms und die neue Sofa-Ausgabe gesprochen.
Die vierte Ausgabe steht unter dem Thema „Play“ – wann hattest du das letzte Mal Playtime?
Ricarda: Jeden Tag. Playtime ist eine Notwendigkeit für mich, es ist wichtig für meine mentale Gesundheit.
Wie funktioniert das?
Ricarda: Playtime ist für mich selbst eine Nachricht, die ich von einer Freund*in bekomme und mich zum Lachen bringt. Es ist eine emotionale Strategie, um nicht in Zeiten, die so von Dunkelheit, Bedrohungen und Ungewissheit geprägt sind, zu resignieren. Das Konzept von Playtime klingt meist nach dieser gewissen Extra-Zeit, die man sich dann irgendwann nimmt, als Balance zur Arbeit. In unserer kapitalistischen Gesellschaft sind wir oft mit dem Gegensatz von Play versus Work konfrontiert, es gibt ja auch dieses Sprichwort “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen”. Furchtbar.
Wie seid ihr auf das Thema der Ausgabe gekommen?
Ricarda: Wir haben uns auf das Thema geeinigt, als Caia, die in Montreal lebt, und ich für ein Sofa-Projekt in Brasilien waren. Für zwei Wochen waren wir in Sao Paulo und haben dort ein Game-A-Thon mit 12 jungen Frauen aus Lateinamerika und Deutschland organisiert. Während sie an ihren eigenen Videospielen gearbeitet haben, haben wir eine Talk-Reihe geführt und mit ihnen über die unterschiedlichen Themen geredet. Dabei war ganz schnell klar, wie politisch Spielen als Plattform für ihre Narrative ist und gleichzeitig Potential birgt, Dinge zu ändern. Mit diesem hoffnungsvollen und inspirierenden Gedanken rund um das Thema Play ging es los.
Im Editor’s Letter der vierten Ausgabe sprecht ihr von „to feel baby“ — was kann ich mir darunter vorstellen?
Ricarda: Feel baby ist natürlich ein bisschen spekulativ, weil sich ja niemand von uns so richtig an das Baby-Sein erinnern kann. Aber wenn wir träumen dürfen, ist „feeling baby“: kindlich (nicht das blöde Wort kindisch), neugierig, funny, frech, spielerisch, launisch, albern und auch verantwortungsfrei.
Also geht es auch darum, von der Verantwortung zurückzutreten?
Ricarda: Nein. Im Editorial formulieren wir “feeling baby” als eine Notwendigkeit in unserem Alltag, um die Welt und das Erwachsensein überhaupt noch bewältigen zu können, samt Verantwortung.
Das Interview erschien auf This is Jane Wayne. Hier geht es zum ganzen Interview.