(text and collage art by me, published at This is Jane Wayne)
Seit Mittwoch also ist er vorbei, der große digitale Modemonat. Labels und Designer*innen präsentierten ihre Kollektionen in Form von verlassenen Runway-Schauen, Kurzfilmen oder via Livestream, statt an aufwendig inszenierte Orte einzuladen. Ich habe die vergangenen Wochen noch einmal Revue passieren lassen und alle Trends, Tendenzen und Highlights aus New York, London, Mailand und Paris für euch auf einen Blick gesammelt. So viel sei bereits jetzt gesagt: Am häufigsten zu sehen waren nicht etwa festliche Kleider oder besondere Muster, sondern zwei vermeintlich unspektakuläre „Accessoires“: Socken und Armstulpen.
Socken und Strümpfe aus Nylon oder Wolle gab es bereits in vergangenen Saisons auf den Laufstegen zu sehen — etwa in den Prada SS19 und FW20 Kollektionen oder vergangenes Jahr bei Sies Marjan — in diesem Februar und März jedoch zeigten sie sich so häufig wie wohl schon lange nicht mehr. Während Acne Studios auf fluffige Exemplare im „Kuschelsocken“-Stil setzte, widmeten sich Drome und Sandy Liang dünneren Kniestrümpfen aus Nylon. Dicke Wollsocken, die fast bis zum Knie reichen, trug man außerdem bei Cecilie Bahnsen, Dior und ebenfalls Acne Studios — natürlich stets zu Kleid und Rock in Midi-Länge. Mein Favorit: Die Modelle von Acne Studios, ganz ähnliche Exemplare schützen mich nämlich bereits seit einigen Monaten vorm kalten Holzboden meiner Wohnung.
Am 23. Februar präsentierte Simone Rocha eines meiner absoluten AW-21 Highlights: In reichlich Leder, Spitze und derbe Stiefel gehüllt lösten die Models in mir tatsächliches Herzklopfen aus, so sehr trafen sie meinen persönlichen Geschmack. Was ich als eine Form von „Punk Doll“ beschreiben würde, nannte Sarah Mower, Modejournalistin der amerikanischen Vogue, „Biker Ballerinas“ und „rebellious Schoolgirls“ — die Auflösung kam von Simone Rocha selbst: „Fragile Rebels“. Die Kollektion „Winter Roses“ drehte sich darum, eine schützende Haltung einzunehmen und die eigene Zerbrechlichkeit zu verstecken, auch wenn sie letztlich doch immer wieder zum Vorschein kommt (hier in Form von Blumen).
Eine ähnliche Ästhetik sah man in Teilen auch bei Christian Dior: die ersten Looks beinhalteten kleine Puffärmel, Leder, kniehohe Socken und schwarz umrandete Augen. An den Füßen trug man Mary Janes, deren Schnürbänder sich um Wade und Schienbein wickelten und so einen hübschen Kontrast zu den weißen Strümpfen bildeten. Im Modehaus Valentino trafen hingegen klobige Schnürboots auf Haare, die an Wednesday Adams erinnerten, sowie kurze Minikleider samt weißer Spitze.
Neben Socken ebenfalls zahlreich vertreten: Armstulpen, lange Handschuhe und „Cold Shoulders“. Letztere gab es bei Cecilie Bahnsen zu sehen: Lediglich subtile Ausschnitte des Pullovers legten einen kleinen Teil der Schultern frei. Armstulpen, die während meiner Teenagerzeit zu meiner Grundausstattungen zählten, präsentierte derweil Ann Demeulemeester auf die wohl poetischste Weise und kombinierte sie zu langen, fließenden Kleidern und geradlinigen Silhouetten. Es ist die erste Kollektion, seit Sébastien Meunier, ehemaliger Kreativdirektor, das Modelabel verlassen hat, und sie weist einige Design-Remakes jener Kreationen, die Ann Demeulemeester einst selbst entwarf, auf.
Eine Vielfalt an Handschuhen, die teils bis zum Oberarm reichen, gab es bei Issey Miyake, Miu Miu, Sunnei, Givenchy, Courrèges, Acne Studios und MM6 Maison Margiela zu bestaunen. So unterschiedlich sie auch sein mögen, so hatten sie doch eines gemeinsam: Stylist*innen kombinierten sie stets zu ärmellosen Kleidern und Tops. Meine heimlichen Favoriten stammen von Courrèges und MM6 Maison Margiela, wohl, weil sie den Geist der 90er-Jahre in sich tragen.
Wie man Tüll, Rüschen und Kleider mit funkelnden Stickereien ein wenig lässiger tragen kann, zeigten sowohl Miu Miu als auch Sandy Liang und Molly Goddard. Während man das verspielte Sommerkleid in New York (Sandy Liang) kurzum zur Puffer-Weste kombiniert, folgt in London (Molly Goddard) der Pullunder aufs opulente, semi-transparente Rüschenkleid. In Paris (Miu Miu) trägt man Strick und möglichst dicke Wollstrumpfhosen zum Slip Dress mitsamt Glitzersteinen. Bei allen drei Varianten gilt: Layering is Key. An den Füßen ging es ebenfalls weniger zart zu, statt Pumps und Sandaletten stehen hier Clogs (ohnehin, der Schuh der Stunde), Wanderstiefel und Lederboots mit dicker Plateau-Sohle im Vordergrund.
Gerade glaubte ich, Vinyl sei nach seinem Höhenflug im Jahr 2017 wieder ein wenig von der Bildfläche verschwunden, schon sah man die vielleicht schönsten Exemplare Ende Februar und Anfang März in Mailand: Während MM6 Maison Margiela ein schwarzes Modell mit weit geschnittenem Bein zu Pumps, Socken und Strickpullover präsentierte, zeigten sich die Kreationen von MSGM in unterschiedlichen Farben. Angelehnt an das Mailänder Underground-Nachtleben kreierte Massimo Giorgetti so diverse Looks, die zuweilen fast gänzlich aus braunem, schwarzem und lilafarbenem (wie Giorgetti sagte: nachhaltig produziertem) Vinyl und Latex bestanden.
Mein ungeschlagener Favorit stammt jedoch von Ottolinger: In schönstes Rot gehüllt erinnert die Lederhose an Bühnenoutfits à la Axl Rose — bloß das restliche Styling, das in dieser Saison von Ursina Gysi stammt, ist schöner anzuschauen.
Von Prada über Chopova Lowena bis hin zu Rave Review beinhalteten die AW-21 Kollektionen bunt gemusterte Leggings und Strumpfhosen, die mal unter Kleider und Röcke, mal gleich als Hosen getragen wurden. Inspiriert vom Weltraum-Eskapismus sowie der Voyager-Mission im Jahr 1977 kreierten Livia Schück und Josephine Bergqvist, Designerinnen und Gründerinnen von Rave Review, eine Kollektion, die nicht zuletzt eine Verknüpfung von Raumfahrt und unserer heutigen Zeit ist: „We are floating through the phygital spaces of our time, like the Voyager Mission through faraway galaxies“. Das skandinavische Label arbeitet übrigens ausschließlich mit Deadstock- und Upcycling-Materialien und war zuletzt Teil des GucciFests.
Zwei sehr einfache und dennoch effektive Stylings, die wir uns bereits jetzt abschauen können, zeigten Prada und Proenza Schouler: Während Letztere bloß den obersten Knopf von Cardigans, Blusen und Hemden schlossen (wahrlich keine neue Vorgehensweise, aber dennoch nicht zu missachten), krempelten Miuccia Prada und Raf Simons die Ärmel aller Blazer kurzum hoch. Zu sehen war dieses Styling bereits in der Menswear-Kollektion, die im vergangenen Januar präsentiert wurde, in diesem Artikel habe ich außerdem einen Tipp, der dafür sorgt, dass die Ärmel auch wirklich oben bleiben, mit euch geteilt.
Mit Anfang 20 trug ich Schuhe mit Plateau, bis sie irgendwann den Geist aufgaben und halb auseinanderfielen — warum ich danach für einige Jahre aufgehört habe, weiß ich gar nicht, immerhin sind die Schuhe mit der dicken Sohle nicht nur wahnsinnig bequem, sondern meist auch ein schöner Kontrast zu Röcken und Kleidern. Umso mehr habe ich mich über die Modelle von Molly Goddard, Dries van Noten und Loewe gefreut. Allen voran auf meiner imaginären Wunschliste mit Dingen, die ich mir niemals kaufen werde: die braunen und gelben Varianten, die aus Jonathan Andersons Feder stammen.
Zum ersten Mal stieß ich während meines Praktikums bei L’Officiel auf Thebe Magugu. Damals schrieb ich ein Designer-Portrait zu einem wunderbaren Editorial, das ich heute noch immer vor Augen habe. Seither hat sich der Designer ganz schön weiterentwickelt und zeigt seine Kollektionen mittlerweile in Paris. Seine AW-21 Kollektion findet ihren Anfang in der afrikanischen Spiritualität, vereint dabei Altes mit Neuem. Inmitten von Kleidern im Ombré-Stil und weiten Capes findet man etwa ein eng geschnittenes Mini-Kleid mit Fransen und einen pinkfarbenen Anzug mitsamt weißen Stiefeln. Es ist das erste pinkfarbene Kleidungsstück, das ich tatsächlich gerne tragen würde, auch wenn ich mir jahrelang einredete, niemals auf Pink zurückzugreifen — passenderweise sagte Thebe Magugu in einem Interview anlässlich seiner Kollektion: „I think we’ve all seen something that we’ve hated at first, then down the line, we become convinced. Never say never in fashion, because you don’t know when things will be decontextualized and become exciting“. Wie wahr.
Auch wenn ich nun wahrlich keine Beauty-Expertin bin, notierte ich mir gleich drei Looks, die ich besonders schön fand: So speicherte ich mir sämtliche Bilder, auf denen die Frisuren der Simone Rocha Show möglichst gut zu sehen waren, ab, um meine Haare im nächsten Moment selbst zu zwirbeln, ineinander zu drehen und mit reichlich vielen Haarnadeln hochzustecken.
Weitaus weniger kompliziert und zugleich auch wahnsinnig praktisch sind die Haarbänder im 00er-Jahre Stil, die Sandy Liang um die Köpfe ihrer Models wickelte. Sicher, all das muss man mögen und doch kann ich mir zumindest im Homeoffice keine bessere Frisur vorstellen.
Ebenfalls ein Look, der die Geschmäcker spalten dürfte: haufenweise schwarzer Eyeliner. Der nämlich machte sich sowohl bei Sandy Liang als auch bei Christian Dior breit und erweckte auch in mir die Lust nach dunklen Schatten — ein bisschen so wie damals, als ich zu viel Zeit auf Myspace verbrachte.